Das Kind gemeinsam schaukeln
So schön und idyllisch die Vorstellung nach wie vor ist, aber in vielen Familien in Liechtenstein gibt es in Wirklichkeit leider keine Nana oder keinen Neni mehr, die spontan und freudig aushelfen, wenn Not am Mann oder an der Frau herrscht. Genau dann, wenn etwa wichtige Termine oder dringende Wege anstehen, wird dies für viele Eltern – und insbesondere Alleinerzieher:innen – nicht selten zum unüberwindbaren Problem. Manchmal geht es im elterlichen Alltagsstress auch bloss darum, kurz durchzuschnaufen und ein wenig Zeit für sich selbst zu haben. Etwas, was oft als egoistisch abgestempelt wird, letztlich aber den Kindern zugutekommt.
Konkrete Hilfe für Betroffene bietet in solchen Fällen seit Herbst 2022 eine Kooperation zwischen dem Verein Zeitvorsorge Liechtenstein und dem Eltern Kind Forum. Für Zeitpolster-Geschäftsführerin Judith Oehri ein wichtiger Schritt, das bereits vorhandene Angebot des Vereins sinnvoll zu erweitern: „Ob Fahrtendienste, leichte Gartenarbeiten oder auch Betreuung von Personen mit Demenz – ich habe das Gefühl, dass unser Angebot bei den Liechtensteiner:innen mittlerweile angekommen ist und vor allem angenommen wird.“ Die nackten Zahlen unterstreichen dies: Bis Ende Oktober 2022 wurden nach einer schwierigen Startphase über den Verein bereits fast 3000 Freiwilligenstunden geleistet, die Anzahl der Helfer:innen ist auf 180 gestiegen, die der Hilfesuchenden auf rund 100.
Das nun zusätzlich ins Leben gerufene Angebot „Zeitpölsterli“ erklärt Judith Oehri kurzerhand an einem konkreten Beispiel: „Eine alleinerziehende Mutter hat am Wochenende für ein paar Stunden ein Praktikum oder einen beruflichen Weiterbildungskurs zu absolvieren. Mit einem Kleinkind zuhause ohne innerfamiliäre Unterstützung oftmals ein Ding der Unmöglichkeit. Dank unserer Strukturen mit einem grossen Pool an freiwilligen Helfer:innen aus dem Ober- und Unterland können und wollen wir in einem solchen Fall aushelfen. Direkt vor Ort im häuslichen Umfeld und auf wenige Wochenstunden begrenzt.“ Judith Oehri stellt gleichzeitig aber eines klar: „Wie auch bei allen sonstigen Leistungen unseres Vereins geht es auch diesmal lediglich darum, Lücken zu schliessen und keinesfalls bestehende, toll funktionierende Angebote im Land zu konkurrenzieren.“
In dem neuen Freiwilligen-Dienst, der klassische Haushaltsarbeiten ausschliesst, sollen die ehrenamtlichen Helfer:innen die ihnen anvertrauten Kinder in deren angestammter Umgebung beaufsichtigen und sich um sie kümmern. Etwa indem man gemeinsam spielt, ein Buch vorliest oder vielleicht auch einmal eine Hausaufgabe kontrolliert. Nicht alle Zeitpolster-Helfer:innen kommen dafür allerdings in Frage. „Wir führen diesbezüglich Erstabklärungen durch, die von einem umfassenden Fragebogen bis zu einem aktuellen Strafregisterauszug reichen. Manche unserer Helfer:innen wollen von sich aus lieber mit älteren Personen als mit Kindern schaffen“, erklärt Judith Oehri.
Der Erstkontakt für alle Hilfesuchenden erfolgt über den zweiten Kooperationspartner, das Eltern Kind Forum, das seit mehr als 30 Jahren Dreh- und Angelpunkt ist, wenn es im Land um Familienfragen geht. „Aus unserer eigenen Erfahrung, aber auch von Fachstellen und Fachpersonen wissen wir, dass gerade Familien in schwierigen Lebenssituationen meist nicht über jenes Umfeld verfügen, auf das diese im Bedarfsfall einfach zurückgreifen können – vor allem wenn es um eine sporadische Entlastung zuhause geht“, weiss Marlen Jehle, Sozialarbeiterin und Erwachsenenbildnerin des gemeinnützigen Vereins. Auch für sie ist allerdings eines klar: „Wir sind in Liechtenstein an sich mit den Kita-, Tagesmütter-, Spielgruppen- oder auch Babysitter-Angeboten gut aufgestellt und diese sind für uns auch vorrangig, um Familien langfristig zu unterstützen. Das „Zeitpölsterli“ schliesst aber als stundenweiser Entlastungsdienst insbesondere die Lücke im Bereich der frühen Kindheit, also für Kinder von 0 bis 5 Jahre.“
Das Eltern Kind Forum ist aber nicht nur erste Anlauf- und Kontaktstelle für all jene, die das neuartige Angebot in Anspruch nehmen wollen, es führt vorab auch mit den jeweiligen Familien sämtliche Abklärungen durch und ist für die Situationsanalyse zuständig. „Die Hilfe über das „Zeitpölsterli“ ist als Entlastungsdienst in der Regel ja auf höchstens 6 Monate und lediglich 2 bis 4 Stunden pro Woche beschränkt. Reicht das nicht aus und braucht es umfassendere Unterstützung, haben wir dank unseres Netzwerkes Möglichkeiten, für die Familien langfristig gute und tragfähige Lösungen zu finden“, erklärt Marlen Jehle.
Auf die Ziele der neuen Partnerschaft angesprochen, nennt Judith Oehri vom Verein Zeitpolster vorab einen grundsätzlichen Wunsch: „Wir wollen mit diesem weiteren, möglichst niederschwelligen Angebot wieder einen Schritt vorwärts machen, dass sich Hilfesuchende im Land nicht immer als bedürftig abgestempelt fühlen. Und es würde uns freuen, wenn sich beim Eltern Kind Forum nicht nur Familien melden, sondern auch bei uns neue Helfer:innen, die sich dafür geeignet und bereit fühlen.“
Für Marlen Jehle verbindet das Projekt „Zeitpölsterli“ perfekt arbeitstechnische Synergien mit einem gesellschaftlichen Anliegen: „Als Eltern Kind Forum haben wir gar nicht die Ressourcen, eine für eine solche Dienstleistung nötige Anzahl an ehrenamtlichen Personen zu suchen, geschweige denn zu betreuen. Da greifen die Zahnräder der beiden Vereine perfekt ineinander. Darüber hinaus sehe ich im wachsenden sozialen Engagement und in der Zusammenarbeit mit freiwilligen Helfer:innen aber letztlich auch das, was unsere Zivilgesellschaft stärkt und besonders macht.“