09.01.2024
Ernährung & Landwirtschaft

Gaumenfreuden mit sozialer Note

Wenn das Restaurant Specki in Schaan zum Mittagstisch lädt, kommen nicht nur hochwertige, biologisch produzierte Lebensmittel aus der Region auf den Tisch, sondern immer auch eine ganz besondere Zutat: die Mitarbeit von Menschen, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind.

Die moderne Architektur aus viel Holz und grosszügigen Glasflächen wirkt freundlich und einladend. Ein Eindruck, der sich beim Betreten des Restaurants noch verstärkt: der offene, lichtdurchflutete Gastraum spiegelt sich in den Gesichtern und der herzlichen Begrüssung jener Menschen wider, die vor Ort ihren Dienst tun. Küchenchef Fabian Brunner bereitet gerade in der Küche alles für den heutigen Mittagstisch vor, unterstützt von drei Mitarbeiter:innen, die über den Verein für Betreutes Wohnen (VBW) hier eine Arbeitsstelle gefunden haben.

Auch die Geschäftsführerin des Vereins, Heidi Derungs Hasler, ist vorbeikommen. Ihr Schaaner Büro ist gerade einen Steinwurf vom Lokal entfernt. „Ich war schon immer von diesem Lokal begeistert und als ich in der Zeitung aus einer Anzeige erfuhr, dass ein neuer Pächter gesucht wird, war mir sofort klar: Das ist die Gelegenheit für uns“, erinnert sich die gebürtige Schweizerin. Der Verein mit aktuell über 70 Mitarbeitenden betreut rund 450 Menschen, darunter Kinder, Jugendliche und Familien in Belastungs- und Krisensituationen sowie Personen mit psychischen Erkrankungen oder erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt. Das Restaurant mitten im Herzen Liechtensteins sollte gerade für diese letztgenannte Zielgruppe zu einer perfekten Trainings- und beruflichen Wiedereinstiegshilfe werden. „Nach drei Wochen war mit dem Besitzer alles geregelt und wir starteten das zunächst noch auf sechs Monate begrenzte Projekt“, erzählt Heidi Derungs Hasler.

Aus dem halben Jahr sind mittlerweile über drei Jahre geworden, das Konzept ging trotz schwieriger Coronazeiten zu Beginn voll auf. „Seither haben insgesamt 16 Klient:innen von uns in diesem Gastronomiebetrieb gearbeitet, ein knappes Drittel davon hat es danach wieder in den ersten, regulären Arbeitsbereich geschafft“, weiss Roman Gubser, der seit 2011 beim VBW arbeitet und als Teamleiter das Specki-Trainingsprogramm betreut. Der 47-jährige Arbeitsagoge ergänzt aber sofort: „Wir bewerten das Programm im Specki aber nicht an solchen nackten Erfolgszahlen. Oft geht es für die Menschen vorrangig darum, durch die geregelte Arbeit wieder ein wenig Stabilität im Alltag zu finden, wichtige Erfahrungen zu sammeln oder sich selbst ganz einfach auszutesten, wie weit man überhaupt belastbar ist.“

Mittlerweile dampft es bereits aus der Küche und man hört eifriges Geschirrklappern. Zeit, dorthin zu schauen, wo das eingespielte Specki-Team heute wieder ausgewählte Leckerbissen auf den Mittagsteller zaubern wird. Eine der Gehilf:innen ist Ilaha. Die gebürtige Aserbaidschanerin wäscht und bereitet gerade grosse Salatmengen vor. „Ich bin sehr froh, hier seit drei Monaten arbeiten zu können. Ich lerne viel dazu – und auch mein Deutsch verbessert sich“, erzählt die 33-Jährige, während sie zwei Edelstahlschüsseln aus dem Regal holt. Wenn sie heute mit ihrer Arbeit im Lokal fertig ist, besucht sie danach noch einen Deutschkurs. „Mein Ziel ist es, mein Psychologiestudium fortzusetzen, das ich in Aserbaidschan begonnen habe“, erklärt sie stolz.

Küchenchef Fabian Brunner, der, während er dem kurzen Gespräch gelauscht hat, unentwegt zwischen Abwasch, Arbeitsplatte und Kühlschrank hin und her gependelt ist, streut seiner Mitarbeiterin ungefragt Rosen: „Ilaha arbeitet sehr selbstständig und ist wirklich eine grosse Hilfe für mich.“ Der gebürtige Toggenburger ist hauptverantwortlich für das besondere kulinarische Konzept, welches das Restaurant zusätzlich auszeichnet. „Ich habe damit hier im Mai 2022 begonnen, verfolge als Koch aber schon seit zehn Jahren eine ganz klare Linie: Ich will wissen, woher meine Zutaten kommen und verarbeite daher nur hochwertige, biologisch produzierte Lebensmittel aus der Region“, gibt der 46-Jährige Einblicke in seine Philosophie. „Wichtig ist mir dabei auch, so wenig wie möglich Abfall zu verursachen. Daher gibt es bei uns unter anderem auch keine unnötigen Riesenportionen – aber dafür jederzeit einen Nachschlag, so oft dies ein Gast wünscht.“

Die Mittagszeit rückt näher und ein Blick auf das heutige Speiseangebot lässt einem das Wasser im Mund zusammenfliessen: Muskat-Kürbissüppli mit Kefir-Limetten oder einen Salat an Hausdressing und Kernen als Vorspeise. Danach entweder einen Weiderindschmorbraten mit Wurzelgemüse und Bergkäse oder Kartoffelstock mit Sugo aus Hülsenfrüchten und Getreide sowie Gemüse. Alles ausschliesslich aus biologischer Produktion und aus der Region. „Wir bieten ganz bewusst immer nur zwei Menüs zu Mittag an. Eines davon ist immer vegan, das andere vegetarisch oder – wie heute – auch mit Fleisch“, ergänzt der Küchenchef, bevor er sich wieder seiner Arbeit an Herd und Arbeitsplatte zuwendet.

Doch zuvor schneit wie aufs Stichwort noch Roman Eggenberger vom Verein Feldfreunde durch den Lieferanteneingang ins Lokal. In seiner Hand eine Papiertüte „Roggen Risotto“ vom Schaaner Weideriethof des Biobauern Georg Frick: ein neues Produkt, das der Specki-Koch Fabian Brunner schon bald seinen Gästen anbieten möchte. Ein kurzes Fachgespräch zwischen den beiden Nahrungsexperten, die nächsten Lieferungen werden besprochen und der umtriebige Feldfreunde-Botschafter ist wieder unterwegs zum nächsten Kunden.

In der Zwischenzeit hat eine Specki-Mitarbeiterin, die gut gelaunte Lethisha, an einem freien Tisch Platz genommen. Während sie kunstvoll und mit sicherer und schöner Handschrift die heutigen Menüs auf kleine, schwarze Tafeln schreibt, gesteht sie mit einem breiten Lächeln: „Küchenarbeit ist weniger für mich. Ich schaffe lieber im Service oder in der Reinigung.“ Seit rund zwei Monaten verstärkt sie das Specki-Team, die Arbeit in Schaan hat für sie aber bereits ein Ablaufdatum. „Hier ist es wirklich megaschön und die Leute sind megagut, aber schon in einem Monat beginne ich ein Praktikum mit Aussicht auf eine Lehrausbildung in einem Betagtenheim in Azmoos“, freut sich die 21-jährige bereits auf ihre berufliche Zukunft.

Punkt 11:30 Uhr. Die ersten Gäste trudeln ein. Dominik und René, zwei LKW-Mitarbeiter in voller Arbeitsmontur, setzen sich an ihren, für sie bereits reservierten Tisch im hinteren Eck. „Zweimal Salat und Bio-Weiderind bitte“ kommt ihre Bestellung kurz und bündig und wird von Lethisha aufgenommen. Die beiden zählen mittlerweile zu den treuesten Stammkunden. Was sie an Küche und Restaurant so schätzen? „Die abwechslungsreiche Kost mit hoher Qualität und alles aus der Region. Wenn wir nicht gerade auf Montage weiter weg sind, kommen wir sicher zwei bis drei Mal pro Woche hierher“, erzählt René bereitwillig. Über das VBW-Trainingsprogramm im Specki wissen beide ebenfalls Bescheid: „Dieses Angebot hier zu integrieren, finden wir zusätzlich super.“

Das Lokal beginnt sich immer mehr zu füllen. Auch eine achtköpfige Gruppe hat mittlerweile im oberen Geschoss an einem grösseren Tisch Platz genommen. Es herrscht Vollbetrieb in Küche und im Service. VBW-Mitarbeiterin Monika Zindel düst zwischen Tischen und Getränkekühlschrank hin und her. Die gelernte Sozialpädagogin kümmert sich neben dem Service auch um die Anleitung der im Restaurant tätigen VBW-Klient:innen und den umfangreichen, damit zusammenhängenden Dokumentationspflichten. In einer kurzen Pause gewährt auch sie Einblicke, warum sie so gerne im Specki schafft. „Ich habe mir genau so einen Job gewünscht – ein Riesenglück für mich. Ich wollte ohnehin von einer Tätigkeit im stationären Sozialbereich in den Gastrobereich wechseln und die Arbeit hier vereint beides. Wir sind ausserdem ein echt tolles Team und ich geniesse auch die Wertschätzung und Freundlichkeit, die uns unsere Gäste entgegenbringen“, fasst die 49-Jährige aus Bad Ragaz zusammen, ehe sie drei Getränke anrichtet und wieder zu den Tischen eilt.

Langsam verlassen die ersten Gäste wieder das Lokal. Heidi Derungs Hasler ist mittlerweile wieder aus ihrem nahen Büro auf einen Sprung vorbeigekommen und sitzt vor einer Tasse Kaffee. Nachdem sie einen Schluck genommen hat, spricht sie über das laufende Projekt: „Die Möglichkeiten hier sind für unsere Vereinsarbeit extrem wichtig und das Konzept ist wirklich voll aufgegangen, aber natürlich ist es rein wirtschaftlich nicht selbsttragend. Unser Ziel ist es, 50 Prozent der Kosten durch die Restaurant-Einnahmen decken zu können. Ohne Spenden und Förderungen ginge und geht es sicher nicht.“ Die VBW-Geschäftsführerin sieht aber auch noch einiges an Potential: „Wir sind absolut offen für neue Ideen und zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten, die mit unserem Konzept vereinbar sind: von Kooperationen mit anderen Gastronomen, die das Lokal auch am Abend oder an Wochenenden öffnen wollen bis zu Vermietungen an Private.“

Die letzten Gäste – drei ältere Damen, die ebenfalls regelmässig zu Besuch ins Specki kommen – bestaunen am Weg nach draussen noch eine kunstvoll mit Herzen dekorierte Torte, die auf einem Seitentisch steht und als vegane Nachspeise angeboten wird. Am Eingang dreht sich eine der drei noch einmal Richtung Küche zu Fabian Brunner um: „Sie haben heute wieder einmal ausgezeichnet gekocht. Sehr einfallsreich.“ Der Specki-Koch verneigt sich höflich und bedankt sich für das schöne Kompliment, ehe er gemeinsam mit seinen Gehilf:innen mit dem Wegräumen und Reinigen weitermacht. Als alles wieder an Ort und Stelle ist und in der Küche nur mehr der Geschirrspüler bunt blinkend läuft, wird noch einmal ein Tisch im Lokal gedeckt: für das gemeinsame, entspannte Mittagsessen aller anwesenden Mitarbeiter:innen. Auch heute beschliesst dieses traditionell einen weiteren Arbeitstag im Restaurant Specki. In einem Projekt, das seit fast drei Jahren eindrücklich beweist, wie – im wahrsten Sinne des Wortes – „kostbar“ gutes Essen und soziales Engagement sind.

Restaurant «Specki»

Birkenweg 2

9494 Schaan

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, jeweils von 9 bis 16 Uhr;

Mittagstisch von 11:30 bis ca. 13:30 Uhr

Reservationen: +423 235 01 60 oder specki@vbw.li

Vermietungen: Platz für ca. 45 Personen

Weitere Informationen über das Lokal, das Arbeitstrainingsprogramm oder den VBW unter www.specki.li oder www.vbw.li.