Sonnenenergie aus vereinten Kräften
Der bedeckte, herbstlich graue Wolkenhimmel trübt in keinster Weise die gute Stimmung, die einen im Schaaner hpz im Kresta bereits am frühen Morgen begrüsst: Jede Menge Schüler:innen mit einzelnen Lehrpersonen, bunt gemischt aus dem hpz und der Oberschule sowie Teilnehmer:innen einer Projektwoche des Gymnasiums, tummeln sich bestens gelaunt im Innenhof. Entweder gerade auf dem Weg auf eines der beiden Dächer, auf denen heute die ersten Solarpaneele montiert werden oder in Richtung Werkräume, wo von Jugendlichen der Oberschule spezielle Workshops rund um das Thema erneuerbare Energie angeboten werden.
Über eine enge Metallstiege geht es zunächst dorthin, wo die jungen – und vor allem schwindelfreien – Helfer:innen gerade an der PV-Anlage bauen. Hier oben wird gerade viel abgemessen, die Verkabelung auf die passende Länge geschnitten und jene Unterkonstruktion exakt eingerichtet, auf der später die einzelnen Module befestigt werden.
„Die Schraube so reindrehen“, erklärt Vorarbeiter Michael über ein Steinelement gebeugt den umstehenden Jugendlichen, wie man die Montageschiene richtig fixiert. Der 27-jährige Schellenberger bildet auf einem der Dächer mit zwei Kollegen den Bautrupp der Firma Büchel-Hoop Photovoltaik AG, der für die professionelle Ausführung vor Ort verantwortlich ist. Für seine heutigen Lehrlinge hat er vor allem lobende Worte: „Die machen es wirklich gut. Ein paar sind sogar richtig begabt und wissen genau, wie man mit den Maschinen und dem Werkzeug umgeht.“
Einer dieser talentierten Helfer:innen ist Eduardo, ein fröhlicher Lockenkopf mit weissem T-Shirt. Gemeinsam mit seinem Klassenkollegen Ben aus der 3. Schulstufe der Vaduzer Oberschule rückt er gerade mit einem breiten Lachen ein schweres Steinelement der Unterkonstruktion millimetergenau zurecht. „Ich habe schon letztes Schuljahr von diesem Projekt erfahren und war sofort begeistert“, strahlt der 14-jährige Schaaner während der schweisstreibenden Arbeit. „Wir haben sogar selbst Berechnungen über PV-Flächen und Projektkosten gemacht und waren auch an der Sponsoren- und Spendensuche beteiligt“, erzählt Eduardo stolz, der vielleicht nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrungen später einmal Konstrukteur bei Hilti oder thyssenkrupp Presta werden möchte.
Die Idee für das Projekt kam bereits mitten in der Coronapandemie im Jahr 2021 auf. Damals suchte man von Seiten der Oberschule Vaduz bereits intensiv nach einem oder einer geeigneten Projektpartner:in mit den passenden Dachflächen. In Klassenlehrer Achill Kind, der neben seiner Lehrtätigkeit an der Ober- und Realschule auch Präsident des Vereins Jugend Energy ist, fand man zudem den perfekten Projektleiter im eigenen Haus. Ende 2021 kam schliesslich die Zusage des hpz in Schaan, die eigenen Dachflächen dafür zur Verfügung zu stellen. 2022 übernahmen schliesslich Schüler:innen der damaligen 2. Schulstufe auf eigene Initiative hin das Projekt von der bereits absehbar aus dem Schulbetrieb scheidenden 4. Klasse. Der Startschuss war gefallen.
Auf der Schaaner Baustelle ist mittlerweile zur wohlverdienten Pause geläutet worden. Die konzentrierte Arbeit weicht spielerischer Freude und Ausgelassenheit. Auf dem Sportplatz hat sich spontan eine Gruppe aus Oberschule, Gymnasium und hpz zusammengefunden, um gemeinsam Fussball zu spielen. Nur wenige Meter weiter im überdachten Aussenbereich steht umzingelt von hungrigen Jugendlichen eine Popcorn-Maschine im Dauereinsatz, während Oberschüler Jan-Baran an der „Fahrbar“, einem umgebauten, roten Kleintransporter, fruchtige Getränke an die durstigen Helfer:innen verteilt. „Wir haben drei Cocktails selbst gemixt: Magic Mango, Ice Age und Sweet Rainbow. Ice Age mit Ananassaft und Kokossirup geht am besten“, erklärt der 15-jährige Eschner.
Die Pause ist zu Ende, ein Teil der Jugendlichen besteigt wieder die Dächer, ein anderer begibt sich in die Innenräume, um dort die Workshops für die hpz-Schüler:innen zu leiten. Insgesamt drei verschiedene Workshops haben die engagierten Klimabotschafter:innen der Oberschule vorbereitet. So können die Teilnehmer:innen in den Werkräumen weisse, vom Verein Jugend Energy zur Verfügung gestellte T-Shirts oder Energiesparheld-Medaillen kreativ bemalen oder ein eigens von den Oberschüler:innen entworfenes Memory-Spiel ausprobieren. Im Aussenbereich kann man zudem noch mit selbstgebastelten Solar-Modellautos spielerisch erleben, welche Kraft in der Sonnenenergie steckt.
Im hellen, angenehm ruhigen Werkraum hat ein hpz-Schüler bereits damit begonnen, ein T-Shirt mit kräftigen Farben und Symbolen wie Blitz oder Glühbirne zu bemalen. Immer wieder blickt er von seinem Werk hoch und strahlt in die Runde: „Bin fertig.“ Eine hpz-Betreuerin animiert ihn, auch noch die restlichen freien Flächen mit Malereien zu verschönern. Motiviert greift er zu einem hellgrünen Farbstift und macht sich wieder an die Arbeit. Neben dem jungen Zeichner steht auch Sheila und hilft ihm dabei. Die 14-jährige Oberschülerin freut sich, dass der von ihr gemeinsam mit zwei Kolleginnen vorbereitete Workshop so gut ankommt. „Am Anfang waren die hpz-Schüler:innen noch etwas schüchtern, aber jetzt sind sie voll dabei“, erzählt sie. „Ich mache da total gern mit. Es ist wirklich eine tolle Erfahrung.“ Den Grund, warum sich die junge Schaanerin nicht bei der Montage-Gruppe auf dem Dach angemeldet hat, gibt sie offen zu: „Ich habe brutale Höhenangst. Nein, das geht für mich gar nicht.“
Nur ein Zimmer weiter, an dessen Wänden mehrere Werkbänke und unterschiedliche Holzbearbeitungsgeräte stehen, wird gerade Memory gespielt. Es geht darum, insgesamt sieben Kartenpaare zu finden, die wichtige Botschaften zum Thema Energiesparen beinhalten. Eine hpz-Betreuerin deckt ein Blatt nach dem anderen auf und reicht diese einem, im Rollstuhl sitzenden Mädchen. Nach wenigen Versuchen wird gemeinsam das erste, passende Paar entdeckt. Es zeigt bildhaft und mit einem kurzen Reim, wie man einfach Wasser sparen kann. Lächelnd hält das Mädchen die beiden Karten ihrer Betreuerin entgegen. Dem Oberschüler Noah, der diesen Workshop gemeinsam mit seinen Klassenkolleginnen Rojin und Sara betreut und vorbereitet hat, geben gerade solche Momente sehr viel. „Es macht einen selbst froh, durch die eigene Arbeit anderen Jugendlichen Freude zu machen“, begründet der 14-jährige Schaaner seine persönliche Motivation, am Projekt mitzuwirken.
Durch das grosse Fenster des Werkraumes sieht man direkt auf die zweite Dachfläche, auf der heute die ersten Paneele montiert werden. Es wird Zeit, auch dort wieder vorbeizuschauen, wo die neue PV-Anlage entsteht. Auf dem Weg ins Freigelände bietet sich noch die Gelegenheit, mit einer der Lehrer:innen am hpz zu sprechen. Barbara Speckle unterrichtet seit zwei Jahren hier in Schaan. Auch aus ihrer Klasse sind Kinder in das Projekt eingebunden. „Zwei sind beim Workshop, zwei helfen sogar am Dach mit“, erzählt die Vorarlbergerin, die eine Mittelstufe-Klasse mit insgesamt sechs Schüler:innen betreut und dort fast alle Fächer von Deutsch über Mathematik bis Englisch und Musikerziehung unterrichtet. „Diese überschaubaren Klassengrössen sind wichtig, um auf die zum Teil doch sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten besser eingehen zu können.“ Mit dem laufenden Projekt hat auch sie grosse Freude. „Für meine Buben, die auf dem Dach mithelfen dürfen, ist das ein echtes Highlight. Und beim Workshop ist es toll, dass auch einmal Gleichaltrige von ausserhalb im Haus sind und gemeinsam mit meinen Schüler:innen etwas tun“, ist die 46-jährige Lehrerin begeistert. „Mir gefällt, wie hier alle ungezwungen zusammenkommen, Einblicke in das Leben von anderen Jugendlichen bekommen, denen man sonst vielleicht nie begegnet wäre, und alle gemeinsam an etwas schaffen.“
„Schaffen“ ist das passende Stichwort, um wieder aufs Dach zu steigen, wo mittlerweile die ersten schwarzen Module in der Sonne glänzen. Es ist spürbar, dass aus den Schüler:innen von Oberschule, Gymnasium und hpz und den professionellen Monteuren mittlerweile eine eingeschweisste Truppe geworden ist. Die einzelnen Handgriffe sitzen bereits ohne Anweisungen perfekt und jeder weiss, was seine Aufgabe ist. Mittendrin im regen Treiben steht auch Marco Schütz, Leiter Installationen bei Büchel-Hoop Photovoltaik AG, und blickt zufrieden über die Baustelle. „Mir ist wichtig, dass die Jugendlichen bei diesem Projekt von A bis Z eingebunden sind“, erklärt der Solarexperte. „Deshalb habe ich bereits in der Vorbereitung extra Unterlagen für die Oberschule erstellt, wie etwa die Schaltpläne ausgedruckt oder die wichtigsten Eckdaten kompakt zusammengefasst“, erinnert sich der 49-Jährige aus Eschen. „Mein persönlicher Wunsch ist vereinfacht gesagt der, dass die Schüler:innen nach Ende der Arbeiten stolz nach Hause kommen und sagen können: Ich selbst habe an einer Anlage für erneuerbare Energie mitgebaut.“
Die Mittagspause naht, ein letztes Mal geht es über die enge Metallstiege runter in den Innenhof. Umringt von Jugendlichen steht dort auch Achill Kind und lässt den Blick über den Hof und die Dachflächen schweifen. Wie denkt eigentlich jemand wie er über dieses Projekt, in das er in Personalunion als Oberschullehrer und Präsident des Vereins Jugend Energy so intensiv und bereits über mehrere Jahre eingebunden ist? „Ich erlebe hier gerade einen echten Wow-Effekt, wie das alles läuft und ineinandergreift“, ist er sichtlich beeindruckt. „Und ich bin extrem dankbar. Zum einen dem hpz und seinem ganzen Team, insbesondere dem Werklehrer Kurt Pfanner, mit dem ich das Projekt gemeinsam vorbereitet habe. Und dann natürlich all den Sponsoren, ohne die das niemals möglich gewesen wäre.“ Woher die eigene Kraft für das umfassende Projekt kommt, ist für Achill Kind völlig klar: „Was mich selbst immer wieder motiviert hat, war der unbändige Wille der Oberschüler:innen, dieses Projekt so durchzuziehen. In wirklich jeder Projektphase: von den intensiven Vorbereitungen über den Wissenstransfer, der zwischen den einzelnen Schüler:innen und Klassen gelaufen ist, bis zu den Anstrengungen in Sachen Finanzierung mit unzähligen Präsentationen, Briefen oder eigenen Verkaufsständen auf Märkten, um Spendengelder aufzutreiben. Und diese Einsatzfreude heute auf der Baustelle und in den Workshops zu erleben, rundet alles einfach noch perfekt ab.“
Viel positive Energie also, die bereits von unzähligen Menschen in dieses Projekt geflossen ist – und die schon bald in Form von erneuerbarer Energie zurückgeschenkt werden wird.
Projekt „PV-Anlage hpz Schaan“
Leistung:
- 535 Module à 425 Watt
- 227 Kilowatt-Peak (kWp)
Ertrag (Schätzung):
- rund 200000 kWh pro Jahr
Abnehmer:
- Eigenbedarf hpz + Rest Einspeisung ins LKW-Netz. Die Einnahmen daraus finanzieren zukünftige PV-Anlagen sowie Bildungsprojekte des Vereins Jugend Energy.
Gesamtkosten:
- rund CHF 520000
Projektsponsoren (u.a.):
- LGT
- Hilti
- Neutrik Group
- Liechtenstein Wärme
- Büchel-Hoop Photovoltaik AG
Projektunterstützer:innen und -beteiligte (u.a.):
- hpz
- Verein aha
- Lenum
Geplante Fertigstellung (auf insgesamt sechs Dachflächen des hpz)
- Frühjahr 2024
Bisher vom Verein Jugend Energy errichtete und in Betrieb genommene Photovoltaikanlagen:
- Sportgebäude in Schellenberg (2012)
- Postgebäude in Schaan (2012)
- Wohnanlage des Vereins für Betreutes Wohnen (VBW) in Triesen (2018)
- Waldorfschule in Schaan (2019)
- Primarschule Äule in Vaduz (2020)
- Primarschule in Schaan (2020/21)
- Werkhof-Gebäude in Schaan (2021)
Foto: Julian Konrad